Zurückgeblättert Dämmerschoppen vom 07.12.2015

Jan 11 2016

„Aus alten Zeitungen erfährt man Geschichte, aus der Zeitung des Tages Geschichte“, so Redakteur Lorenz Märtl im Goldenen Ochsen. „Zurückgeblättert“ war das Thema des Dämmerschoppens der Altdorfer Altstadtfreunde und natürlich hatte der Gast am Tisch wieder zwei besondere Jahrgänge des Boten ausgewählt: den Jahrgang 1841 und die Lokalausgaben des Boten aus dem Jahr 1970.

Was „Der Bote“ im achten Jahrgang 1841 mit „königlich bayerischem allergnädigsten Privilegium“ aus dem Verlag von Tobias Hessel kund zu tun hatte waren in erster Linie die Verlautbarungen von Magistrat, Polizeibehörden, Königlicher Regierung und königlich Bayerischem Landgericht. Vor allem Richter Schumacher trat schriftlich nicht nur als Amtsperson in Erscheinung, sondern ersetzte Verleger Tobias Hessel damals den Redakteur. Ob er das aus Spaß oder als Respektsperson oder als persönlicher Freunde von Hessel tat ist leider nicht überliefert.

„Vom Magistrat der Stadt“ hießt eine feste Rubrik, bei der es etwa um die

Reinhaltung der „öffentlichen Bronnen“ ging, in denen keinesfalls Nachttöpfe gespült werden durften.

Die nächtliche Polizeistunde blieb auf elf Uhr festgesetzt. Gäste und Wirte

die dagegen handelten wurden bestraft. Ledigen „Weibspersonen“ war der Besuch der Wirtshäuser zur Nachtzeit gänzlich untersagt.

Das Königlich Bayerische Landgericht Altdorf gab genaue Bestimmungen zum Biersieden heraus, die von der Local-Polizei überwacht wurden.

Der Magistrat der Stadt Altdorf sah sich zudem veranlasst, Bierbräuer und Wirte darauf aufmerksam zu machen, dass Biervisitationen durchgeführt werden, um zu gewährleisten, dass das Publikum fortwährend mit gutem und geschmackvollem Biere versehen wird.

 

Die königliche Regierung kümmerte sich auch um die Sittlichkeit und nannte es einen Übelstand, dass die Besamung von Kühen und Schweinen häufig vor den Hirtenhäusern stattfand und Pferde nicht selten von Sonntagsschülern zur Beschälanstalt geführt wurden.

Störungen der Sonn- und Festtagsfeiern blieben nicht ungestraft.

So waren Treibjagden an Sonn- und Festtagen verboten, ebenso alles Zechen und Lärmen in den Häusern der Wein- und Bierwirte und der Branntweinbrenner, vor und während des Sonn- und festtäglichen Gottesdienstes. Die Läden der Kaufleute sollten an Sonn- und Festtagen während des Gottesdienstes geschlossen sein.

Der Magistrat ermahnte auch Eltern, Vormünder, Erzieher und Lehrmeister darauf zu achten, dass Knaben und Lehrlinge „bei Tag und auch zur Nachtzeit nicht in den Straßen herumziehen und durch Ungezogenheit und Sittenlosigkeiten, Lärmen, Schreien, Singen, Pfeifen, Werfen mit Steinen, Necken der Vorübergehenden, die öffentliche Ruhe stören“.

Jeder in Altdorf übernachtende Fremde musste von demjenigen Einwohner, bei dem er übernachtete, bis neun Uhr morgens des folgenden Tages der Polizeibehörde angezeigt werden. Als ein Fremder war jeder zu betrachten, welcher nicht in Altdorf wohnte. So gehörten auch auswärts wohnende Verwandte und selbst auswärts wohnende Kinder zu den Fremden.

Die Finanzen der Stadt wurden im Boten ebenso bekanntgegeben wie die Kriegsschulden. Die Leser wurden über die Abrechnung der Pfarrkirchenstiftung und der Unterrichts- und Wohltätigkeitsstiftung informiert.

Privatanzeigen im Boten wurden gern gelesen, nicht nur 1841 sondern auch noch heute. So bot Melbermeister Johann Heinrich Riedner seine Dienste ebenso an, wie Margarethe Demel, die nach eigenen Angaben Unterricht im Waschen von Frauenzimmerhauben und feiner Wäsche genossen hatte.

Schneidermeister Johann Dauphin weist auf seinen großen Fundus von Carnevalskostümen hin: „Es sind vorrätig Trachten, verschiedener Völker, z.B. der Türken, Spanier, einer Polin und Griechin, der Ritter, dann des Nürnbergischen Dichters Grübel, Domino, Harlekin, Doctors Pamphilius als Pimpernickel und mehrere Bauerntrachten“. Die Kunden könnten sich auch gleich seiner Wohnung umkleiden, so der Schneider, der strengste Verschwiegenheit zusicherte.

Kunstgärtner Schack nahm seine Aufträge zum Baumschneiden im Gasthaus „Zum Grünen Baum“ entgegen und Messerschmiedemeister Johann Ditthorn suchte per Annonce einen Sohn von braven Eltern als Lehrling.

Der neue Tierarzt empfiehlt sich per Annonce im Boten ergebenst bei den Herren Viehbesitzern im Landgerichts Bezirk Altdorf bei vorkommenden Erkrankungen von Haustieren. Besonders will er auch das Castrieren der Hengste stets zur Zufriedenheit der Besitzer besorgen.

Posthalter Schmid stellt dem neuen Tierarzt ein gutes Zeugnis aus: „Der Unterzeichnete kann Herrn Tierarzt Adam wegen seiner Geschicklichkeit im Castrieren der Hengste bestens empfehlen, da er auch einen seiner Hengste glücklich castriert hat“. Ebenso zufrieden ist Müllermeister Georg Scharrer:

„Da Herr Adam zwei meiner Pferde zu meiner vollsten Zufriedenheit castriert hat, so kann ich denselben allen Pferdebesitzern bestens empfehlen“.

Das Mineralbad zu Neumarkt in der Oberpfalz mit seinen Schwefelquellen warb in Altdorfer Zeitung um Besucher und Johann Pöllot empfahl sich als neuer Zimmermeister in der Stadt. Die erste Fabrik in Altdorf stellte Kunsthefe her.

Ein wahres Spielzeugparadies muss die Werkstatt von Drechslermeister Simon Samuel Kurz gewesen sein. Vor Weihnachten inserierte er im Boten und bot seinen “ Vorrath“ von Spielwaren an. Küchen, Zimmer, Spetzerei, Putz- und andern Kaufläden, Pferdeställe, Pferde, Wägen, Garten-Salon mit springendem Wasser, Guckkästen, Mundharmoniken, Flinten, Säbel, Patronentaschen, Trompeten, Trommeln, Kanonen, Peitschen, Schnurrfiguren, springende Chinesen, Malkästchen, Gesellschaftsspiele als Lottospiele, Glocken- und Hammerspiele, Docken und Dockenköpfe von Holz und Papiermache, Wickeldocken mit beweglichen Köpfen und Händen und schreiend in Wiegen liegend, Schlattern, Figuren mit klingendem Spiel, Katzen mit Mäusen, Hunde, Vögel, Harlekin, Schlittschuhe, Spielsachen in Schachteln, Eisenbahnen und Wagen, welche von selbst laufen und viele andere Spielsachen und waren als Waschbläu, Schatullen, Schreibzeuge, Nähschrauben, Zuckerdosen, Uhren und Fidibusbecher. „… zu geneigter Abnahme unter Zusicherung der billigsten Preise“, wie er versicherte.

Aber auch bei Hessel wollte man mit Weihnachtsgeschenken Geschäfte machen:

Gebet- und Predigtbücher, Naturgeschichten, Räthselbücher, ABC und Bilderbücher, illuminiert; Schreib-Almanache, verschiedene Spiele als Frag und Antwortspiele, Glückskarte: Reise nach Jerusalem, Vampyr, Fortuna, zur ebnen Erde, Alpenkönig, vier Täubchen und der Rosenstrauch, Lustfahrt auf der Eisenbahn, Combinationsspiel, Robert der Teufel, das Steckenpferd, die elegante Ritterschaft.

Ferbner Visitenkarten, Neujahrskarten, Ziehwünsche, Lackbilder, Perlenwünsche, Briefpapier oder Mappen mit dem feinsten verzierten Postpapier wurden angeboten.

Kulturelle Ereignisse wurden nicht nur angekündigt, sondern es wurde auch darüber berichtet. Dr. Ströbel kündigt im Februar ein Oratorium im Concertsaal des Seminars an und im Mai ein Konzert mit Musiklehrer Herrling. Die Kritik zu beiden Abenden verfasste der königliche Landrichter Schumann, der für seinen Sohn Julius erstmals eine Todesanzeige ins Blatt setzte.

Im Boten wurde natürlich auch auf die Kirchweih hingewiesen und es wurde um Hilfe für die Opfer des verheerenden Brandunglücks in Eismannsberg gebeten.

Den letzten Beitrag des Jahres lieferte der Verleger selbst: „Mit dem Schlusse dieses Jahres bittet der Unterzeichnete um gefällige Berichtigung aller Rückstände für das Wochenblatt sowohl, als auch für bezogene Bücher aus der Buchhandlung, um die Geschäftsbücher mit dem neuen Jahre rein abschließen zu können“, so Hessel.

Das Jahr 1970, an das sich viele Besucher des Dämmerschoppens noch gut erinnerten, denn es war ein Wallensteinjahr, stellte Lorenz Märtl anhand ausgewählter Zeitungsausschnitte dar.

So war es im Januar bitter kalt, die Liedertafel blickte auf ein erfolgreiches Konzert zurück, und die PSG feierte „Fasching in Rio“. Diskutiert wurde ein Turnhallenneubau und es gab Anregungen Altdorf als Kongress-Stadt darzustellen. In Rasch war Hochwasser und die Bahnhofsstraße wurde im Boten als Schweizer Käse bezeichnet. Diskussionen gab es um die alte Universität. Die Wichernhausleitung wollte gerne die Arkaden verglasen lassen, die Altdorfer – nicht nur die Wallensteiner – liefen dagegen Sturm. Rektor Neukam reagierte und stellte klar, dass es sich um ein vertrauliches Gespräch gehandelt habe und man auch nicht darüber informiert wurde, dass im Hof des Wichernhauses eine neue Tribüne errichtet werden solle. Sogar der Aprilscherz des Jahres griff die Thematik auf. Die Missverständnisse wurden aber ausgeräumt und die Proben für das Festspiel konnten beginnen. Allerdings wurde dann im Juli bekanntgegeben, dass die Rummelsberger eine neue orthopädische Klinik mit 250 Betten in Rummelsberg planen, was in Altdorf aufgrund der Grundstückverhältnisse nicht möglich war.

Über das Pfaffental wird eine Autobahnbrücke gebaut. Ministerpräsident Goppel besucht Rummelsberg und Altdorf. Die Wallensteiner sind bei der Eröffnung der Autobahnspange mit dabei und die „Wespen“ heimsen gute Kritiken ein. Nach der Festsaison jammern die Wallensteiner über leere Kassen, obwohl die Besucherzahl sich gesteigert hatte. Franz Josef Strauß kommt zu einer Wahlveranstaltung nach Altdorf und unterstützt Friedrich Weißkopf, der sich für den Landtag bewirbt. An Weihnachten 1970 hatte es geschneit.

Horst Petzinger dankte dem Gast am Tisch für die hochinteressanten Fundsachen aus alten Boten und bat ihn schon für das kommende Jahr vorzuarbeiten.

sb

 

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