Bürgerwehr

Sinn & Zweck, Lieder & die Geschichte

Die Altstadtfreunde Altdorf stellen seit 1997 für das Volksschauspiel Wallenstein in Altdorf, die Bürgerwehr. Das Volksschauspiel findet derzeit im dreijährigen Turnus in Altdorf statt und wird schon seit mehr als 100 Jahren in nur leicht modifizierter Form aufgeführt.

Die Bürgerwehr besteht aus etwa fünfzig Altdorfer Bürgern, von denen jeweils etwa 25 prächtig uniformiert im Schauspiel teilnehmen. Die übrigen „Bürgerwehrler“ betreiben derweil zusammen mit ihren Frauen ein historisch aufgemachtes Bierzelt, in dem es natürlich auch fränkische Spezialitäten wie Bratwürste, Schmalzbrote und Ähnliches zu kaufen gibt. Der Verkaufserlös kommt satzungsgemäß ausschließlich dem Vereinszweck, nämlich der Erhaltung und Sicherung denkmalgeschützter und schutzwürdiger Objekte in der Stadt und im Gemeindegebiet zu Gute.

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Lieder

 

Die Geschichte der Bürgerwehr

Die Geschichte der Bürgerwehr ist eng mit derjenigen der Stadt Altdorf verbunden: schließlich musste sich eine mittelalterliche Stadt selbst gegen Feinde verteidigen können. Hilfe von außen, etwa durch den Landesherren kam selten und auch oft zu spät.

Die Bürgerwehr rekrutierte sich auf den wehrfähigen Einwohnern der Stadt. Im Allgemeinen musste zumindest jeder Haushalt einen Mann abstellen. Im Falle Altdorf mit ca. 200 Anwesen und ebenso vielen Haushalten konnte die Bürgerwehr dann auch 200 Mann stark sein.

Der Dienst beschränkte sich auf Kriegs- und Notzeiten sowie auf die Feuerbekämpfung. Die Bürgerwehrler gingen also alle einem normalen Beruf nach, anders hätte das gar nicht organisiert werden können.

Zusätzlich mussten ich die Männer natürlich auch in ihren Waffen üben, um für den Ernstfal´l gewappnet zu sein. Dies war dann auch oft ein gesellschaftliches Ereignis.

 

Die Lage im ausgehenden Mittelalter

Im ausgehenden Mittelalter (1300 – 1500) war die politische Situation im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation etwa so, dass es keinen allgemeinen „Landfrieden“ gab, wie wir ihn heute kennen. Stets gab es mögliche Bedrohungen durch „fahrendes Volk“, Raubritter, andere Herren, die ihre Besitzungen ausweiten wollen oder eine Fehde führen. Straftäter werden nicht „deutschlandweit“ verfolgt, sondern können leicht untertauchen, das Land war wesentlich dünner besiedelt als heute und bot Platz für viele Verstecke.

Daraus entstand die Notwendigkeit, den eigenen Besitz (Haus und Hof, Vieh, das eigene Leben, Erntevorräte) selber zu schützen, weil die Grundherren dazu nicht in der Lage oder nicht willens waren, die hatten ihre eigenen Interessen.

In der Folge wurden neben Burgen auch andere Befestigungen errichtet:

  • – Wehrkirchen (Kirchenburgen, wie Rasch oder Hagenhausen, daher Lage der Kirche
  •    am Rande des Dorfes, damit man beim Verteidigen der Kirche nicht auf die
  •    eigenen Häuser schießen muss bzw. der Feind keine Deckung findet)
  • – Märkte mit (Erd-)Wall und Graben, ggf. Toren, darf nur mit Erlaubnis des Landes-
  •    herren gemacht werden
  • – Städte mit steinernen Mauern, Toren und Türmen, dürfen ebenfalls nur mit
  •    Erlaubnis des Landesherren gebaut werden

Auch wenn die Erlaubnis zur Befestigung vorlag, so musste die Bürgerschaft doch meistens die Mauern in Eigenleistung errichten und später auch selber verteidigen.

Zur Finanzierung der Bauwerke durften die Altdorfer Bürger das „Ungeld“ (= indirekte Steuer auf Bier, etc., etwa wie die heutige Mehrwertsteuer) behalten

Altdorf wird erst „Stadt“ genannt, als 1387 bereits ein Großteil der Stadtmauer fertig ist. Vorher und auch teilweise danach wird vom „Markt“ Altdorf geschrieben. Das Stadtrecht galt wegen seiner größeren Freiheit für die Bürger und der besseren Befestigungsmöglichkeiten deutlich mehr als das Marktrecht, das Altdorf mindestens seit 1360 hatte.

Im 14. Jahrhundert war Altdorf unter der Herrschaft verschiedener Grafen und Fürsten aus den Dynastien Nassau, Hohenzollern, Henneberg, Greifen, Wittelsbach. Aber alle förderten den kleinen Verwaltungsmittelpunkt.

So konnten die Altdorfer um 1400 ihren Mauerring schließen und die beiden Stadttore (Oberes und unteres Tor), die Mauertürme (Feilturm, Pulverturm, Flurersturm, Weißer Turm, alter und neuer Treuturm), die Weiher vor dem Oberen Tor in der Ebene und vor der Lederersmühle sowie den trockenen Stadtgraben fertigstellen.

Seine erste Bewährungsprobe hatte die Stadtbefestigung im ersten Markgrafenkrieg (1449/50), als eine – zahlenmäßig geringe – Anzahl Nürnberger es nicht schafft, Altdorf einzunehmen. Altdorf gehörte damals zur Pfalz, Linie Pfalz-Mosbach-Neumarkt, die mit Nürnberg einen Krieg führte.

Die Stadtbefestigung wurde aber nicht laufend modernisiert, so konnten die besser vorbereiteten Nürnberger 1504 Altdorf relativ leicht einnehmen, seither gehörte Altdorf dann zu Nürnberg. Danach war die Befestigung wegen der Fortschritte der Wehrtechnik wirkungslos.

Besonders schlimm traf es Altdorf im großen Markgrafenkrieg 1553: Der Markgraf Albrecht Alkibiades schloss die Stadt ein, lies die Tore von außen verrammeln und die ganze Stadt abbrennen, über 200 Häuser wurden zerstört, vielleicht ist das Haus in der Melbergasse 3 (ganz hinten) das einzige, das den Brand bis heute überstand.

In weiteren Kriegen, wie im 30jährigen Krieg, spielte die Bürgerwehr wie auch die Stadtbefestigung keine Rolle mehr. Nicht einmal gegen das Treiben der Altdorfer Studenten um 1600, speziell das der Herren Albrecht von Wallenstein, Tobias Wacker, Gottfried Sebisch und Hans Hartmann von Steinau, die bei einem Handgemenge bzw. Gefecht mit der Bürgerwehr deren Fähnrich Wolf Fuchs tödlich verwundeten. Der tödliche Stich kam von Han Hartmann von Steinau, der nachts mithilfe seiner Kommilitonen über die Stadtmauer entkommen konnte, obwohl die Tore verschlossen waren. Er floh zu seinem Vater, dem Burggrafen auf dem Rothenberg bei Schnaittach, das damals kein Nürnberger Herrschaftsgebiet, sondern „Ausland“ war, wo ihn die Nürnberger nicht bestrafen können.

 

Die Bürgerwehr selbst

Bis ca. 1500 ist die Überlieferung sehr spärlich. 1510 und 1560 wurden die waffenbesitzenden Männer registriert, es waren ca. 130 bis 140, bei etwa 200 Anwesen in Altdorf (also mehr als jeder Zweite).

1532 schickte die Reichsstadt Nürnberg als neue Landesherrin 20 mit Büchsen bewaffnete Stadtknechte nach Altdorf.

Im Jahr darauf erhielt die Bürgerwehr als „Herrengabe“ vom Landpfleger Hieronimus Tucher u.a. zwei Hellebarden.

1546 wurde die Schützengesellschaft Altdorf erstmals erwähnt, zumindest bezieht sich darauf das Gründungsjahr des PSG 1546 Altdorf, heute ein Sportschützenverein. Also muss die Bürgerwehr damals auch schon mit Feuerwaffen geschossen haben.

Um diese Zeit wurde auch das Schießhaus, die heutige Metzgerei Gerstacker in der Schießhausstraße 12, erbaut. Das Gebäude brannte 1938 ab. Beim Wiederaufbau wurde das alte Nürnberger Wappen aber wieder in den Giebel eingemauert.

Das Schießen innerhalb der Stadt war wegen der Feuergefahr verboten. Da das Schießhaus auf dem freien Feld lag, konnte man auch bei schlechtem Wetter bequem auf dem Fenster schießen. Die Schießübungen der Schützen wurden auch als gesellschaftliches Ereignis begangen.

Aus dem Jahr 1731 ist in der Schrift „Das.. jetzt-lebende ALTDORFF Wie sich dasselbe bey Anfang des Jahres 1731 befindet“ von Ernst Friedrich Zobel wird überliefert, wie die Bürgerwehr damals aufgebaut war.

Da gab es einen Stadt-Hauptmann, einen Fähnrich, einen Sergeant und einen Einspännigen. Diese waren die eigentlichen „Kriegs-Bedienten“, also Soldaten. Dann gab es 12 „besondere Corporals“, die die Feuerbekämpfung zu organisieren hatten. Eine Freiwillige Feuerwehr im heutigen Sinne gab es damals noch nicht, diese wurde erst 1867 gegründet. Weiterhin gab es 6 Constabler (Büchsenmeister) und 2 Tambours (Trommler).

Die Schützen-Compagnie hatte einen Raths-Schützenmeister, zwei gemeine Schützenmeister, einen Schützen-Schreiber und einen Zieler. Die weiteren waffen- oder diensttauglichen Männer wurden dann in Corporalschaften und Rotten organisiert.

Ein Corporal hatte sechs Rottmeister unter sich, von denen jeder wiederum fünf Männer. Insgesamt gab es 6 Corporalschaften mit zusammen 36 Rottmeistern und 180 Mann. Dazu kamen nochmal vier Rotten mit je einem Rottmeister und fünf Mann für „besondere Begebenheiten“.

Zusammen dienten also über 240 Mann in der Bürgerwehr, bei etwa ebensovielen Anwesen in der Stadt heißt das, dass jedes Anwesen einen Mann stellte.

 

Die Bürgerwehr im Wallenstein-Festspiel

Seit der Uraufführung des Festspiels 1894 ist die Bürgerwehr dessen fester Bestandteil. Im Laufe der Zeit wechselten nicht nur die Darsteller – bei einem Zeitraum von 120 Jahren ist das auch nicht verwunderlich.

Auch die Kostüme veränderten sich. Einmal gab es Beschwerden, dass die Bürgerwehr aussehe wie die Bande von Robin Hood, in der Zeit musste auf ausgemusterte Kostüme aus dem Nürnberger Schauspielhaus zurückgegriffen werden.

Seit einiger Zeit werden die verschiedenen Gruppen im Festspiel und Lagerleben von Vereinen bzw. deren Mitgliedern gebildet. Die Bürgerwehr stellte lange Zeit der „DSM“, der Dämmerschoppen Montag, bis 1997 die Altstadtfreunde vom DSM dessen Ausrüstung übernahm. Glücklicherweise konnten einige Bürgerwehrler selbst auch mit „übernommen“ werden, sodass auch eine personelle Kontinuität gewahrt wurde.

Im Gegensatz zum historischen Vorbild ist die Bürgerwehr bei Wallenstein in Altdorf nur mit Spießen, Hellebarde und Partisanen bewaffnet.

Im Festzug sammelt sich die Bürgerwehr dann hinter der Altdorfer Stadtfahne: rot-weiß gestreift und mit dem Altdorfer Wappen belegt. Auch im Zelt der Bürgerwehr fehlt die Stadtfahne nicht.

 

Quellen:

  • 450 Jahre Schützen in Altdorf, Konrad Heydner, 450 Jahre Schützengeschichte der Stadt Altdorf, Brunner, Altdorf 1996
  • Festschrift 1994 der Wallenstein-Festspiele Altdorf
  • Hans und Erika Recknagel, Altdorfer Häuserchronik, Schriftenreihe der ANL, Band 51, Druckerei Carl Hessel, Feucht 2009, darin das „jetzt-lebende Altdorff“ abgedruckt