Ein Landhaus mit Geschichte

Nov 03 2014

ALTDORF, 3. 11. 2014 – Großes Interesse fand der Dämmerschoppen der Altdorfer Altstadtfreunde, bei dem es um das sogenannte Stoer-Haus im Kappelgraben ging.

Sabine und Lutz Reinwald zeigten anhand von 120 Folien detailliert die Geschichte des Hauses mit der alten Nummer 378 auf, das 1878 direkt in den Stadtgraben hinein gebaut wurde. Das Haus ist komplett unterkellert und sollte wohl ursprünglich eine Gastwirtschaft werden, da zeitgleich die Eisenbahn nach Altdorf kam. Der Bahnhof hatte die Hausnummer 379. Die Nachbarhäuser wurden früher erbaut. Das Haus Weißturmgasse 1 steht noch, das Haus in der Türkeistraße mit der Nummer 21 wurde 1974 abgerissen. Auch die dazugehörige Scheune, von der im Garten des Stoerhauses noch ein Stein mit der Jahreszahl 1811 gefunden wurde.

Der bekannteste Besitzer des Anwesens Kappelgraben 8 war Theodor Friedrich Stoer, der das Haus 1911 kaufte. Er gründete eine Familienstiftung, der er das Haus übertrug. Die Stiftung sollte die Wassertrüdinger Witwen (Stoers Vater stammte aus Wassertrüdingen) und die Nürnberger Stadtpolizisten im einfachen Dienst unterstützen, wie Lutz Reinwald berichtete. Inflationsbedingt wurde die Stiftung um 1960 wieder aufgelöst, die Norica-Sammlung daraus ging an die Stadt Nürnberg.

Stoer war bis 1919 rechtskundiger Magistratsrat der Stadt Nürnberg. Der Referent hatte eine Vorliebe für Wappen, davon zeugen das Familienwappen und Wappenscheiben aus Glas. Stoer kaufte in seiner Dienstzeit weitere Grundstücke im Umkreis des Altdorfer Hauses auf. So gehörte ihm auch das Haus Türkeistr. 21, das er wieder verkaufen musste, als er sich 1919 von seiner ersten Frau scheiden lassen wollte. Die dazugehörige Scheune behielt er, sie stand im heutigen Garten. Auch auf der anderen Seite des Kappelgrabens gehört noch ein Stück Garten zum Anwesen. Damit man den Garten nicht verlassen musste um dorthin zu kommen, ließ Stoer in den Jahren 1929 und 1930 einen Tunnel unter dem Kappelgraben anlegen. Gegen eine Gebühr von 100,- Reichsmark gewährte die Stadt die Grunddienstbarkeit.

Auf dem Tunnelportal steht der Ritter „Götz von Berlichingen“, eine Beton-Nachbildung des Hl. Georg vom Pilatushaus in Nürnberg am Tiergärtnertorplatz von Jakob Hahn. Der Gipsabguss von Georg Leistner aus Nürnberg befindet sich noch in einer Nische im Tunnel. Vom Landhaus der Stoer und Stierstiftung gibt es auch eine gezeichnete Postkartenserie. Ein Motiv zeigt auch den Ritter.

Das Haus selber wurde nicht sehr verändert. Es war schon immer zweigeschossig, das Erdgeschoss aus massiven Ziegeln und der erste Stock Fachwerk, das anfangs auch freilag. 1902 baute der damalige Eigentümer, Lokführer Friedrich Hormeß, den Zwerchgiebel an und etwa 1930 Stoer den großen Holzbalkon. Aus dieser Zeit stammt auch das Waschhaus im Garten.

Zuletzt wurde das Haus von einer Stoertochter, einer ehemaligen Oberärztin am Wichernhaus Altdorf, bewohnt. Im Jahr 2012, als das Haus leerstand, brannten der Gang zur Toilette und die Veranda ab. Der Aufmerksamkeit einer Nachbarin und dem Großeinsatz der Feuerwehr sei zu danken, dass das Haus gerettet werden konnte, berichtete Lutz Reinwald.

Nach diesem Brand wurde das Haus verkauft. Lutz und Sabine Reinwald waren unerschrocken genug sich der Aufgabe zu stellen, das Gebäude wieder bewohnbar zu machen. Dass auch noch mehrfach eingebrochen wurde machte die Sache nicht einfacher. Fast ein Jahr dauerte es, bis alles ausgeräumt war. Inzwischen arbeitet ein Architekt an einem Plan für die Restaurierung. „Wir hoffen, dass es im nächsten Jahr losgeht“, so Sabine Reinwald. Einige der Zuhörer wussten noch weitere Details zum Haus zu erzählen, die auch die neuen Besitzer noch nicht kannten. So war es ein kurzweiliger Abend für Zuhörer und Referenten. Vorstand Horst Petzinger dankte seinem „Vize“ herzlich für die Recherchearbeit und die Ausführungen zu einem ganz besonderen Altdorfer Haus.
sb

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